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Henri Jayer und sein Vermächtnis Teil 1

Cephas Picture Library Ltd

An einigen tollen Verkostungen habe ich in das Schaffen der Burgunderlegende Henri Jayer Einblick erhalten. Genauso spannend war auch die Entwicklung von Jean Nicolas Méo und Emmanuel Rouget, die sozusagen Herni Jayer beerbt haben, sie übernahmen die Weinberge von Jayer, die der Méo Camuzet Familie bzw. der Rouget Familie gehörten. Sie lernten auch von Herni Jayer über verschiedene Jahrgänge hinweg, dazu mehr in Teil II.

Henri Jayer genießt absoluten Kultstatus unter den Weinkennern. Er begann 1945 Weinberge zu bewirtschaften, entwickelte nach und nach einen eigenen Stil und begann eigene Weine abzufüllen. 1978 wurde die gesamte Ernte unter seinem Etikett vermarktet. Ende 80er und Anfang der 90er gab er viele Weinberge wieder ab und 2001 war sein letzter eigener Jahrgang.

Die Weine sind alle unerschwinglich und werden mittlerweile gefälscht, weil sie am Markt solch hohe Preise haben. Auch in Burgund genießt er eine hohe Reputation, viele fühlen sich von Jayer beeinflusst und inspiriert. Ein schönes Zitat von Jean Nicola Méo: „Henri starb in der Ernte 2006, während wir hart am Arbeiten waren; ein ausdruckstarkes Bild. Neben der mythischen Legende, die er geworden war, erinnerte ich das Talent eines Mannes für seine Arbeit, die Überzeugung eines erfahrenen Verkosters und die Passion für das Handwerk“.

 

Doch wie sind die Jayer Weine denn? Was macht sie so begehrt? 

Sie sind verführerisch, mit enormer Frucht, Frische und Charme, gestochen scharf, sehr feingliedrig und sexy. Das einzige was in die Extreme geht ist hier und da die kühle Fruchtintensität. Bei aller Komplexität zeigen sich die Weine seidig und delikat. Und wirken sie noch so fein gewoben können sie unheimlich gut altern. 

Sie sind keine Blogbusterweine, sie betonen die sinnliche Komponente der Pinot Noir Traube.  Jayer Weine würden jung unter den heutigen Kritikern ca. 90 Punkte bekommen, weil man mehr Tannin, Wucht und Nachhall in den Weinen sucht. Auch Burgunder Papst Clive Coates sieht die Weine nicht am oberen Ende der Punkteskala. Das liegt daran, dass Weine immer wieder jung gegeneinander gestellt werden und die „lautesten“ und kräftigsten Weine gewinnen. Das hedonistische Vergnügen, welches sich aus der Praxis erschließt, eine solche Flasche Wein in netter Gesellschaft zu trinken, bleibt bei den Bewertungen auf der Strecke. Die Jayer Weine leben von der Delikatesse und von der Feinheit, weniger vom "Druck" oder vom Nachhall.

 

Wie machte Henri Jayer seine Weine?

Henri Jayer hatte ein unheimliches Gespür und eine starke Idee. Ihm widerstrebten die chemischen Errungenschaften der 60er und 70er, die die Landwirtschaft beeinflussten. Dünger und chemischen Behandlungsmittel, schweres Gerät wurde den Weinbauern verkauft und zeigten negative Auswirkungen auf die Qualität bei vielen Domainen. Jayer misstraute dieser Entwicklung und beharrte stur im Weinberg auf seine traditionelle Vorgehensweise, reifes gesundes Lesegut bei niedrigen Erträgen auf herkömmliche Weise zu erreichen. Im Keller war er hingegen ein innovativer aufgeschlossener Winzer. Er revolutionierte die Vinifikation im Burgund nachhaltig und gab seine Errungenschaften auch an die jüngere Generation weiter. Der frühere Kellermeister der Domaine Romanée Conti Bernard Noblet antwortete 2011 auf meine Frage, ob er sich von Jayer beeinflusst fühlt: „Ja, man kann sagen bis auf unsere Rappen- bzw. Stieleanteile während der Gärung arbeiten wir stark nach Jayer“.

Jayer entwickelte behutsam im Keller Vorgehensweisen, die seinem verführerischen langlebigen Weinstil enstehen ließen. Er quetsche nie die Trauben, keine Rappen und Stiele kamen mit in den offenen Holzgärbottich. Er kühlte die Maische leicht auf 12-15 Grad und erreichte im Zusammenhang mit einer moderaten Schwefelung eine 4-6tägige Mazerationszeit vor der Gärung. Hier wurde Fruchtaroma und Farbe schonend extrahiert. Die Gärung verlief anschließend spontan. Der Ausbau in kleinen zum größten Teil neuen Eichenfässern wurde penibel begleitet. Die Weine wurden außerhalb des Abstiches nie Sauerstoff ausgesetzt. Die Abfüllung der unfiltrierten Pinots erfolgte manuell von Fass zu Fass.

Man kann jetzt sagen, das sind alles Dinge, derer sich heute viele Winzer annehmen und trotzdem die Finesse und Größe der Jayer Weine nicht erreichen. Also stellte man einmal Jayer Ende der 90er die Frage, woran dies liege? Darauf antwortete er „ok, vielleicht sind da ein oder ein zwei Geheimnisse, die ich nicht verraten habe. Aber viel wichtiger als einer kleiner Trick oder zwei ist, dass du deine Weine fühlen must. Es ist wie eine Begabung, die man nicht vermitteln kann, genauso wie ein Künstler oder Musiker seinem Schüler dies nicht beibringen kann, indem man ihm vor malt oder den Notensatz mit ihm durchliest“.

 

Hier ein Auszug von Jayer Weinen, denen ich begegnet bin.  Nicht immer habe ich Notizen gemacht. Bepunktung der Weine stellt meine individuelle Wahrnehmung und Einordnung dar.  

 

1993 Nuits St. Georges Village – 97 Punkte

Leichte Reduktivität, etwas Zündholzkopf, toller intensiver Duft nach Kirschen, am Gaumen so fein, wie ich es von einem eher herben Nuits St. Georges Terroir nicht kenne. Sehr elegant, trotzdem Struktur und Fassung. Unglaublich gut für einen Village Wein. 

 

1990 Echezeaux Henri Jayer 100 Punkte

Sehr sinnlicher Duft, süße rote Früchte, sexy, leicht verwobenes Zedernholz, am Gaumen sehr balanciert, fein, seidig, eine betörende Süße, samtig, lang, wow! toller Nachhall, endlos weit. Zweimal verkostet innerhalb von 7 Monaten.

Eine Flasche stammte aus dem Keller von Henri Jayer eine zweite 7 Monate zuvor aus dem Handel. 1990 war ein Tanninstarkes Burgunderjahr, was viele zu den ganz großen Jahrgängen zählen. Häufig sind die 90er aber hart und man kann zweifeln, ob sie jemals ihre innere Balance finden. Nicht so bei diesem großartigen 90er Echezeaux.

 

1985 Echezeaux Henri Jayer, Weinberg von Georges Jayer  96-97 Punkte

Frisches Autoleder, toller Duft, kräutriger Einschlag, Erdbeere gestochen scharf, Blütenduft, am Gaumen samtig und fein, sehr sinnlicher Wein. 

1985 gilt als großartiger Jahrgang, erbrachte feine im Vergleich zu 90 jedoch leichtere Weine. Der Weinberg von Georges Jayer erachtete Henri Jayer als geringfügig schlechter als sein eigener Echezeaux. Flasche war aus dem freien Handel. Top Füllstand.

 

1986 Echezeaux Henri Jayer 

Korkproblem. 

 

1978 Vosne Romanée 1er Cru Cros Parantoux  Henri Jayer Magnum 98 Punkte

Betörender Duft, Maggikraut, rote Früchte, mineralische Komponenten, für 1978 noch enorm gefasst. Tolle Struktur, so toll balanciert, ganz fein gewoben, Finesse pur und charmant. Guter Nachhall. Ein enorm leckeres Glas Wein! 

Für Henri Jayer war 1978 der beste Cros Parantoux den er gemacht hat. Er lebt von Frische Langlebigkeit und Zugänglichkeit. Er ist in seiner feinen Art berührend.

 

Jean Nicolas Méo war beim verkosten dieses Weines in sich gekehrt. Er hatte diese Flasche direkt von Henri Jayer vor ca. 25 Jahren erworben. Dann meinte er: "Warum habe ich diesen Wein? - Ich habe gedacht, ich brauche ein Beispiel oder einen Leitfaden als ich begonnen habe Wein zu machen. Dann wurde der Weine eine Legende und ich habe die Flasche nicht mehr angefasst!"


Kuriosum: Ein Jayer Wein für die Familie Camuzet etikettiert. Ein Teil der Pacht wurde in Naturalien beglichen. Verkostet 2018, ein verführerischer, unendlich feiner Wein voller Vitalität.